Als frisch pensionierter evangelischer Pastor der Hannoverschen Landeskirche ist für mich noch nicht "Ende im Gelände". Die EKD (Evangelische in Deutschland) betreut ca. 120 evangelische Gemeinden deutscher Sprache in der ganzen Welt. Einige werden von dauerhaft dort Wohnenden (Residenten), andere von temporär dort Lebenden (Urlaubern) getragen.  Die EKD sorgt für die pastorale Versorgung, u.a. durch Entsendung von Ruheständlern.

Die Anfrage, für neuen Monate nach Alanya zu gehen, weckte zunächst einmal Vorbehalte: Kann man im gegenwärtigen politischen Klima dort hingehen? Nach zwei Wochen Bedenkzeit war klar, dass ich Teil des Systems EKD bleibe und es mir um die Menschen geht, die dort leben.

Das Ankommen: Nach zweieinhalb Monaten Vorbereitung Ankunft am Flughafen Antalya mit einem sehr herzlichen Empfang der Vorsitzenden der St. Nikolaus-Gemeinde, gefolgt von einem fulminanten Frühstück!

Die St. Nikolaus-Gemeinde Alanya ist die eine Hälfte der gesamten ökumenisch geprägten Gemeinde mit Antalya. Katholiken, Evangelische, Konfessionslose, Armenier, Polen, Deutsche, Norweger u.v.m. treffen sich als Gemeinde im Gemeindezentrum.

Ursprung der Gemeindegründung ist der "Verein St. Nikolaus Antalya/Alanya", der als Verein nach türkischen Recht die Grundlage für beide Gemeindeteile bildet. Einstmals katholisch (der katholische Pfarrer Ludger Paskert ist Vorsitzender des Vereins) haben sich beide Gemeinden ökumenisch entwickelt. Der mehrheitlich katholische Teil ist in Antalya, der evangelische Teil in Alanya. Einmal im Monat tauschen beide Pfarrer den Ort (Kanzeltausch).

An den ersten Feiertagen Weihnachten und Ostern wird gemeinsam mit den Norwegern in der norwegischen "Seemannskirche" gefeiert, am Pfingstsonntag im "Garten der Toleranz" in Belek zwischen Alanya undAntalya gemeinsam mit der Gemeinde aus Antalya. Es ist eine Gemeinde, die keine Grenzen der Konfessionen und Kulturen kennt, sondern wie ein Mikrokosmos vieles in sich vereint.


Erkenntnis zur Halbzeit: Kirche und Gemeinde einmal ganz anders: Hier ist die gesamte religiöse Breite des deutschsprachigen Raumes vertreten: Kühle Norddeutsche, rheinländische Frohnaturen (natürlich katholisch), pietistische Schwaben, evangelikale Sachsen, kirchenferne Brandenburger, kulturell gefestigte Großstädter, gebrochene Existenzen und vieles mehr. Ihnen allen eine Heimat für Glauben und Leben zu geben ist eine spannende Herausforderung. Es ist stets eine Arbeit in der Fluktuation abreisender und kommender Menschen, die mehr oder weniger lange bleiben. Die einzige Kontinuität ist die Unkontinuität.

Ich habe eine Vielzahl sehr freundlicher und der Gemeinde und dem Glauben zugewandter Menschen erlebt. Es besteht große Dankbarkeit und  Freude über die Existenz der Gemeinde und dass sie pastoral versorgt wird.

Alle Dienste geschehen ehrenamtlich, für nichts und niemanden gibt es Entlohnung. Mit den Sachkosten lebt die Gemeinde von der Hand in den Mund: Erwirtschaftete Erträge aus Veranstaltungen werden sofort wieder für Mieten, Nebenkosten, Einkäufe etc. ausgegeben. Dagegen bieten die deutschen Landeskirchen mit ihren Verwaltungen und Stellenplänen geradezu ein weiches Bett der Sorglosigkeit!